Vorab eine sehr gute Definition für „Marketing“ von sem-deutschland.de (die Wikipedia-Definition war doch etwas zu sperrig): „Unter dem Begriff ‚Marketing‘ wird eine Reihe von Strategien und Unternehmensaktivitäten zusammengefasst, welche zum Ziel haben, eine Marke, ein Produkt oder eine Dienstleistung für die anvisierten Absatzmärkte schmackhaft zu machen. Dazu zählen beispielsweise Markenbildungsmaßnahmen, Zielgruppenanalysen, Preismanagement sowie Werbung. Während also die Produktionsabteilung in einem Unternehmen für die Herstellung des eigentlichen Produkts verantwortlich ist, umfasst das Marketing alle Maßnahmen, die dazu gedacht sind, dem Kunden dieses Produkt zu präsentieren und ihn zum Kauf zu überreden.“
So weit, so gut. Trotzdem folgt an dieser Stelle immer wieder folgende Frage, die mit trauter Regelmäßigkeit auftaucht: Steht ein Buch nicht schon für sich alleine? Müssen Autor*innen dafür wirklich noch Marketing machen? Vor allem dann, wenn sie in einem Verlag veröffentlichen? Wäre die Antwort „Nein“, wäre dieser Artikel genau an dieser Stelle zu Ende … Aber Spaß beiseite. Die mehr oder weniger unspaßige Antwort auf die Frage ist: Unbedingt! Okay, ein einfaches „Ja“ hätte es auch getan, veranschaulicht die Dringlichkeit aber nicht ganz so deutlich.
Natürlich läuft das Marketing der Big Player im Buchmarkt von allein. Warum? Weil die großen Namen, die schon mehrere Bestseller gelandet haben, eine sichere Bank sowohl für Verlage als auch für Journalist*innen, Blogger*innen und Fans sind. Menschen wollen zwar angeblich immer etwas Neues, aber im Grunde lieben sie das, was sie schon kennen. Es wäre allerdings zu kurz gesprungen, zu behaupten, dass Marketing nach ein oder zwei Bestsellern zum Selbstläufer wird. Wenn wir uns Bestsellerautor*innen, die immer wieder auf der begehrten Liste landen, einmal genau anschauen, dann fällt auf, dass sie in puncto Marketing fleißig sind. Nicole Staudinger, Richard David Precht und Dr. Eckehard von Hirschhausen halten ihr Gesicht in jede Kamera, haben eine großartige Social-Media-Präsenz und sind 24/7 im Dienste ihrer Botschaft und für ihre Fans unterwegs. Genauso machen es die meisten – Ausnahmen bestätigen die Regel – großen Belletristik-Autor*innen. J. K. Rowling, Stephen King und Sebastian Fitzek sind Meister der Selbstvermarktung. Ein großartiges Beispiel ist die Aktion von Sebastian Fitzek, im ersten Corona Lockdown auf Instagram mit Fans ein Buch zu Gunsten des Buchhandels zu schreiben. Abgesehen davon, dass ihm vermutlich langweilig war, ein genialer Marketingschachzug, der mehrere Fliegen mit einer Klappe schlug: sich selbst ins Gespräch bringen bzw. im Gespräch halten, Fans einbeziehen und den Buchhandel glücklich machen: Mehr geht nicht! Denn, darauf kommen wir später noch mal zu sprechen, was viele vergessen: Auch der Buchhandel ist Marketingzielgruppe von Autor*innen. Ist der Buchhandel nicht bereit, unsere Bücher zu verkaufen, fällt ein riesiger Distributionskanal weg.
Weit über 60.000 Bücher erscheinen pro Jahr auf dem deutschen Markt
In diesem Zusammenhang komme ich auf eine harte und sehr unangenehme Wahrheit zu sprechen, die die Grundlage guten Marketings ist: Niemand interessiert sich für Dein Buch! Und niemand hat auf Dein Buch gewartet … Ich weiß, wie hart das klingt – und vor allem, wie hart es sich anfühlt. Trotzdem mache ich mir genau das immer wieder klar. Vor allem dann, wenn ich mal keine Lust auf Marketing habe … Natürlich haben meine Bücher eine Botschaft. Natürlich bin ich davon überzeugt und natürlich liegen mir Buch und Botschaft am Herzen. Das Gemeine ist aber, dass das nicht reicht, damit gute Bücher auch eine Leserschaft finden.
Im Jahr 2019 sind rund 70.000 Bücher auf dem deutschen Markt erschienen. Allein diese Zahl dürfte ausreichen, um klar zu machen, wie schwierig es ist, Aufmerksamkeit für das eigene Buch in dieser Masse zu generieren. Zum Vergleich: Die Barclay Card Arena in Hamburg hat eine maximale Kapazität von 16.000 Plätzen. Wer schon mal bei einem Konzert in dieser oder einer ähnlichen Halle jemanden gesucht hat, ohne den genauen Aufenthaltsort zu kennen, weiß, dass das nicht sooo einfach ist. Jetzt machen wir die Halle nochmal um das 4,3-fache größer. Wie wahrscheinlich ist es, eine Person zu finden, von der man noch nicht einmal weiß, dass sie überhaupt da ist … Die Personen im VIP Bereich – die Bestseller – werden schneller gefunden. Und die Personen, die irgendwie Aufmerksamkeit auf sich ziehen, auch. Festivalgänger*innen kennen die lustigen Menschen, die dort mit verrückten Kostümen rumrennen. Nicht weiter erstaunlich, dass diese Personen oft fotografiert werden und somit häufig auf Social Media auftauchen. Aber auch auf dem Festival selbst scheint man ihnen immer wieder über den Weg zu laufen. Übrigens: Auf dem Hurricane Festival waren 2019 rund 70.000 Besucher …

Wenn Du jetzt immer noch nicht glaubst, dass Du Dich bzw. Dein Buch vermarkten musst, noch ein weiteres Beispiel. Welches Sachbuch war letzte Woche auf Platz drei der Spiegel-Bestsellerliste in der Kategorie „Paperback“? Das weißt Du nicht? Erstaunlich, denn dieses Buch hat es bereits geschafft, aus der Masse der 70.000 herauszustechen. Und trotzdem kennst Du nicht einmal den Titel? Entspann Dich, ich müsste auch nachschauen 😉 Dieses Beispiel soll nur noch einmal verdeutlichen, dass der Buchmarkt gigantisch groß ist. Und selbst als aktive Marktteilnehmer*innen, genau das sind wir als Autor*innen, können wir das ganze Spielfeld gar nicht im Blick behalten … Und Leser*innen interessiert das Spielfeld im Grunde überhaupt nicht. Leser*innen interessiert im Sachbuchbereich, ob ein Sachbuch ihr Problem löst. Und im Bereich Belletristik, ob es sie unterhält und vielleicht ihren Horizont etwas erweitert … Hierzu kommen wir später noch einmal genauer, wenn es um das Thema „Zielgruppe“ geht.
Meine Lieblingsmarketingweisheit noch zum Schluss des Abschnittes: Du verlierst keine Leser*innen an andere Autor*innen weil Dein Buch nichts taugt. Du gewinnst sie erst gar nicht, weil niemand Dich oder Dein Buch kennt. Wenn das kein Grund ist, Marketing zu machen, dann weiß ich es auch nicht 😉
Autor*innen als Marke
Marketing kommt von Marke. Soweit der No-Brainer 😉 Oder anders formuliert: Marketing ist die Arbeit rund um ein Produkt, welches zu einer Marke gehört … Häh? Klingt kryptisch, ist es aber nicht. Nehmen wir als Beispiel eine Modemarke, beispielsweise Chanel. Jetzt ist klar: Chanel ist die Marke und unter dieser Marke werden verschiedene Produkte angeboten. Angefangen mit Mode, gibt es auch noch weitere Produkte rund um das Modethema, wie Kosmetik, Parfum und Schmuck. Wichtig ist in diesem Bereich, dass die Produkte, die zu der Marke gehören, auch zu ihr passen. Damit beflügeln Marke und Produkt sich gegenseitig.
Nehmen wir noch ein weiteres Beispiel aus dem Automobilbereich: Porsche. Von Porsche gibt es nicht nur schnelle Boliden. Es gibt Brillen, eine Modelinie und sogar eine Unternehmensberatung. Passt das zusammen? Ja, denn die Angebote sind auf die Zielgruppe und deren Lifestyle abgestimmt.
Was hat das jetzt mit Marketing für Autor*innen zu tun? Ganz einfach, die Frage ist: Was ist Deine Marke und was sind Deine Produkte? Die Antwort kann angsteinflößend sein: Die Marke bist Du – und alles, was Du anbietest, sind Deine Produkte … Sprich, Du bist die Marke; und Deine Bücher und ggf. Dein weiteres Angebot sind die Produkte. Und wie bei den großen Marken beflügelt sich im besten Fall beides gegenseitig.

Hierzu gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und fragen uns: Was ist eigentlich eine Marke? Denn wenn Du eine Marke werden willst, dann ist es ja nicht unerheblich zu wissen was eine Marke überhaupt ist … Und dann noch eine Personen- bzw. Autor*innenmarke … Zunächst einmal ist eine Marke nichts, was tatsächlich einer akademischen Analyse folgt. Auch wenn es manchmal den Anschein hat. Natürlich gibt es ein paar Rahmenparameter, aber am Ende des Tages ist eine Marke ein Gefühl. Und Gefühle sind wahnsinnig schwer zu beschreiben. Beispielsweise kennst Du das Gefühl, verliebt zu sein. Es aber genau so zu beschreiben, wie Du es fühlst, ist so gut wie unmöglich. Ein besseres Beispiel ist: Du weißt genau, wie eine Banane schmeckt. Aber den Geschmack jemandem zu beschreiben, der noch nie in seinem Leben eine Banane gegessen hat, ist – selbst für versierte Autor*innen – eine unlösbare Aufgabe. Was gute Autor*innen tun? Leser*innen Raum für die eigene Fantasie lassen. Vielleicht ist genau dieser Umstand, dass wir Gefühle nicht wirklich beschreiben können, der Grund dafür. Zurück zur Marke und dem Markengefühl: Schau Dir einfach mal ein paar Marken an, die Du magst – und dann analysiere einfach mal, was Du mit den Marken assoziierst. Wenn Du das Ganze einigermaßen ernsthaft angehst, wirst Du merken, dass Du irgendwann an dem Gefühlsthema nicht mehr vorbei kommst. Noch ein Beispiel: Harley Davidson hatte mal einen genialen Slogan: „We sell you a dream. The bike is for free“ … Oder BMW: „Freude am Fahren“ …
Ich kann Dir nur ganz heiß ans Herz legen, mach Dir einmal die Arbeit und schau Dir drei große Marken an und assoziiere, welche Gefühle damit einhergehen. Diese Gefühle sind der Grund, warum diese Marken gekauft werden. Wir behaupten zwar immer, dass wir Dinge rational entscheiden, das stimmt aber nicht. Das haben verschiedene psychologische Studien rund um den Globus mehrfach bewiesen. Das Gefühl entscheidet – und danach wird über den Verstand gerechtfertigt. So entstehen Entscheidungen.
So erarbeitest Du Deine Autor*innenmarke
Natürlich musst Du jetzt keine riesige Analyse für Dich und Deine Marke starten. Aber es ist auf jeden Fall hilfreich einmal zu schauen, was Du schreibst und wofür Du stehst. Darüber hinaus lieben Menschen andere Menschen. Das heißt, wenn Du ein paar Deiner Eigenschaften mit einbringst – Achtung, das bedeutet nicht, dass Du alles von Dir preisgeben musst – dann machst Du es Deinen Leser*innen leichter, eine Beziehung zu Dir aufzubauen.
Jetzt ist es Zeit für einen Zettel und einen Stift, um Deine Autor*innenmarke einmal grob festzulegen. Das Ganze sind Leitplanken und keine Gefängnismauern, denn eine Marke entwickelt sich mit der Zeit. Keine der großen Marken bzw. Autor*innenmarken war von Anfang an das, was sie heute sind. Auf geht’s!
Beantworte folgende Fragen für Dich:
1. Definiere Dein Genre bzw. Deinen Themenbereich
Bei Belletristik legst Du Dich auf ein Genre (zumindest für den Anfang) fest. Menschen sind Gewohnheitstiere und wollen ihre Erwartungen erfüllt wissen. Wenn ihnen Dein letzter Krimi gefallen hat, wollen sie jetzt keinen Young Adult Roman von Dir lesen.
Ähnlich ist es bei Sachbüchern. Überlege Dir, für welches Themengebiet Du stehst und positioniere Dich als Expert*in für dieses Thema. Je spezieller, desto besser. Auch hier gilt: zumindest am Anfang.
2. Was unterscheidet Deinen Schreibstil von anderen?
Die Frage ist erheblich, denn egal für wie einzigartig Du Dein Thema bzw. Deine Idee hältst, in der Regel wurde alles irgendwie schon mal gedacht bzw. geschrieben. Die Harry-Potter-Idee ist auch nicht einzigartig. Was einzigartig ist, ist die Umsetzung. Ähnlich verhält es sich mit Richard David Prechts Büchern. Philosophische Betrachtungen der Gegenwart sind nun wirklich ein alter Hut. Aber seine spezielle Umsetzung ist das, was die Leute lesen wollen. Und genau das ist hier die Frage: Wie setzt Du Deine Ideen um? Lass Dir Zeit. Arbeite mit Adjektiven. Ich bin am Anfang auch nicht drauf gekommen. Vielleicht hast Du ja schon ein paar Fans. Frag sie einfach. Du wirst erstaunt sein, was Du über Dich und Dein Schreiben herausfindest.
3. Ordne Dir persönlich beschreibende Adjektive zu
Was bist Du für ein Mensch bzw. wie bist Du als Autor*in? Humorvoll, liebevoll, amüsant, witzig, ernst, nachdenklich, kritisch, wertschätzend, akribisch, schlicht, direkt …
Und was ist die Schnittmenge mit den Adjektiven, die Deinen Schreibstil beschreiben? Die Schnittmenge beschreibt schon ziemlich gut Deinen Markenkern. Eine einfache, aber sehr effektive Methode.

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